Teilzeit Pflegekraft – Diskriminierung bei Überstunden? BAG, 28.10.2021 – 8 AZR 370/20 (A)

Gibt es eine Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten durch tarifvertragliche Regelungen, die nur Überstundenzuschläge für Arbeitsstunden vorsehen, die über die regelmäßige Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten hinausgehen?

Die Parteien debattierten in der In der Revisionsinstanz über das Bestehen eines Anspruchs der Klägerin auf eine Gutschrift auf ihrem Arbeitszeitkonto sowie über die Auszahlung einer Entschädigung gem. § 15 Abs.2 AGG.

Keine Überstundenzuschläge für Teilzeitbeschäftigte

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) wandte sich mit Beschluss vom 28.10.2021 im Wege eines Vorabentscheidungsverfahrens an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH). Es soll die Auslegung europarechtlicher Vorschriften dahingehend aufgeklärt werden, ob tarifvertragliche Vorschriften, nach der die Zahlung von Überstundenzuschlägen nur für Arbeitsstunden vorgesehen sind, die über die regelmäßige Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers hinausgehen. Dies würde nämlich ganz klar eine Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten darstellt.

Im entschiedenen Fall klagt eine Pflegekraft in Teilzeitbeschäftigung gegen einen bundesweit tätigen Dialyseanbieter und verlangt eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG sowie weitere Gutschriften wegen geleisteten Überstunden auf ihrem Arbeitszeitkonto.

Auf das Arbeitsverhältnis findet ein Manteltarifvertrag Anwendung. Überstundenzuschläge sind demnach nur vorgesehen, wenn die Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten überschritten sind.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Hessische LAG hat das arbeitsgerichtliche Urteil auf die Berufung der Klägerin teilweise abgeändert und den Beklagten verurteilt, dem Arbeitszeitkonto der Klägerin die geforderten Stunden gutzuschreiben. Die weitergehende Berufung der Klägerin hat es zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG weiter. Der Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision und im Wege der Anschlussrevision, die Klage insgesamt abzuweisen.

Geschlechterdiskriminierung

Der Achte Senat des BAG ersucht den EuGH, u.a. die folgenden Fragen nach der Auslegung von Unionsrecht zu beantworten, und zwar:

Die Klägerin hat zudem eine Entschädigung gem. § 15 Abs.2 AGG wegen mittelbarer Geschlechterdiskriminierung gefordert. Dabei hat sie die Ansicht vertreten, dass sie durch die Anwendung der tariflichen Regelung in § 10 Ziff.7 Satz 2 MTV unzulässig als Teilzeitbeschäftigte gegenüber Vollzeitbeschäftigten benachteiligt worden sei. Zudem werde Sie mittelbar wegen des Geschlechts benachteiligt, da der Beklagte überwiegend Frauen in Teilzeit beschäftige.

So soll der EuGH nun klären, ob dabei eine Ungleichbehandlung von Vollzeitbeschäftigten und Teilzeitbeschäftigten (bezüglich von Männern und Frauen) im Sinne von Art. 157 AEUV sowie Art. 2 Abs. 1 b und Art. 4 Satz 1 der Richtlinie 2006/54/EG bewirkt wird. 

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Hessische LAG das arbeitsgerichtliche Urteil teilweise abgeändert und den Beklagten verurteilt, dem Arbeitszeitkonto der Klägerin die geforderten Stunden gutzuschreiben. Die weitergehende Berufung der Klägerin wurde dabei zurückgewiesen. Die Klägerin begehrte mit ihrer Revision weiter ihr Begehren auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG. Der Beklagte begehrte die Zurückweisung der Revision und im Wege der Anschlussrevision, die Klage insgesamt abzuweisen.

Vorlage an den EuGH

Der 8. Senat möchte vom EuGH wissen, auf welche Betrachtung es in diesem Fall ankommt. Muss man einen Vergleich zwischen den Gruppen der Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten anstellen oder genügt es bereits, dass in der Gruppe der Teilzeitbeschäftigten mehr Frauen als Männer betroffen sind?  

Die Klärung dieser Sachfrage bleibt spannend für Teilzeitkräfte in der Pflege und auch in anderen Bereichen insbesondere im Öffentlichen Dienst wie auch in Krankenhäusern.